Es war Weihnachtszeit in der Ukraine, aber auch im 2. Winter seit Kriegsbeginn fühlte es sich anders an. Statt der üblichen Vorfreude und festlichen Vorbereitungen war die Atmosphäre von einer bedrückenden Stille erfüllt. Doch Kira, die erst zwölf Jahre alt war, wollte den Geist der Weihnacht nicht aufgeben, auch wenn es schwierig war. In ihrem kleinen Häuschen, wo sie mit ihrer Mutter und ihrem jüngeren Bruder Artem lebte, gab es keinen Weihnachtsbaum. Es gab keine bunten Lichterketten, keine Geschenke. Strom gab es oft nur für ein paar Stunden am Tag, und das knappe Geld reichte nicht einmal für das Nötigste. Doch Kira wusste, dass Weihnachten mehr bedeutete als Geschenke oder Dekorationen.
Am Heiligabend setzte sie sich an das Fenster und schaute hinaus in die verschneite Landschaft. Es war kalt, aber der Anblick der tanzenden Schneeflocken brachte ein kleines Lächeln auf ihr Gesicht. „Mama, können wir trotzdem Weihnachten feiern?“ fragte sie vorsichtig, während sie ihren kleinen Bruder in eine warme Decke wickelte. Ihre Mutter, die gerade dabei war, aus den letzten Vorräten ein einfaches Abendessen zuzubereiten, sah sie an und nickte sanft. „Ja, Kira. Weihnachten ist in unseren Herzen. Es geht um Hoffnung, Liebe und Zusammenhalt. Solange wir das haben, ist es immer Weihnachten.“
Kira wusste, dass es in diesem Jahr wieder keine Spielsachen oder andere kleine Geschenke geben würde. Und sie hatte auch einen ganz anderen, besonderen Herzenswunsch. Sie beschloss, diesen aufzuschreiben. Also nahm sie ihr kleines Tagebuch, in das sie jeden Tag ihre Gedanken und Wünsche schrieb, und riss eine leere Seite heraus. Mit ihrem Bleistift schrieb sie eine Botschaft darauf: „Dieses Jahr wünsche ich mir Frieden für alle. Und dass Papa sicher nach Hause kommt.“ Sie legte den Zettel vorsichtig in eine kleine Box, die sie in der Ecke gefunden hatte, und stellte sie auf den Tisch. Es war ihr persönlicher Weihnachtswunsch an den Himmel.
An diesem Abend versammelte sich die kleine Familie um eine Kerze, die als Ersatz für den Weihnachtsbaum auf dem Tisch leuchtete, auf dem auch das Kästchen mit Kiras Herzenswunsch stand. Ihre Mutter sprach ein leises Gebet und Kira hielt die Hand ihres Bruders. Trotz der schwierigen Umstände fühlte sie einen Moment der Ruhe – als wäre die Welt für einen Augenblick still geworden. Draußen war das Geräusch der Schneeflocken zu hören, die sanft auf den Boden fielen, und es schien, als wäre das Dorf für einen Moment in Frieden gehüllt. Und in diesem Moment war Kira voller Hoffnung, dass sich alles zum Guten wenden und ihr Vater bald zu ihnen zurückkehren würde.
Kurz bevor Kira ins Bett ging, hörte sie ein Klopfen an der Tür. Es war die ältere Nachbarin, die sie manchmal sah, wenn sie Wasser am Brunnen holte. Die Frau trug ein kleines Bündel mit sich. „Ich habe ein paar Kekse gebacken“, sagte sie mit einem warmen Lächeln. „Es ist nicht viel, aber ich wollte euch etwas bringen. Frohe und gesegnete Weihnachten für dich und deine Familie!“ Kira nahm das Päckchen mit leuchtenden Augen entgegen und sie spürte, wie ihr Herz vor Freude schneller schlug.
In dieser Nacht lag Kira wach und dachte an die Worte ihrer Mutter und der Nachbarin. Es waren diese kleinen Momente – die Kekse, die Kerze, die gemeinsame Zeit – die die wahre Bedeutung von Weihnachten ausmachten. Und während sie durch das Fenster die Sterne betrachtete, flüsterte sie: „Frohe Weihnachten, Papa. Bitte komm bald nach Hause.“